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Eckdaten / technische Daten:

Betriebs-Nr./Name:
4/RUR
Hersteller:
Henschel & Sohn, Kassel
Fabriknr.:
5276
Baujahr:
1899
Gattung:
Bn2K
ehemalige Heimatbahnen:
Dürener Dampfstraßenbahn AG
Felix Schoeller
Selfkantbahn
Status:
in Aufarbeitung
Länge über Puffer:
5.400 mm
Höchstgeschwindigkeit:
25 km/h
Achsstand:
1.400 mm
Raddurchmesser:
930 mm
Kesselüberdruck:
14 kg/cm²
Leistung:
70 PS
Zylinderdurchmesser:
225 mm
Kolbenhub:
300 mm
Rostfläche:
0,64 m²
Heizfläche:
24,2 m²
Leergewicht:
12,7 t
Dienstgewicht:
15,6 t
Wasservorrat:
1,0 m³
Kohlenvorrat:
0,40 m³
Bremsen:
Fußbremse, Feststellbremse, Druckluftbremse, Saugluftbremse (nur für Zug)
Heizung:
--
Besondere Einrichtungen:
Dachkondensator

 

Informationen zu diesem Fahrzeug:

Unter Führung des Kg. Kommerzienrates Felix Heinrich Schoeller bildete sich 1888 in Düren ein Gründungsausschuss zum Bau und Betrieb einer Dampfstraßenbahn für den Güterverkehr von Düren nach Birkesdorf. Die Gründungsveranstaltung der Dürener Dampfstraßenbahn A.G. fand am 31. März 1892 statt. Am Samstag, den 1 April 1893 erfolgte die Inbetriebnahme der Bahn, zunächst nur für den Güterverkehr. Die Aufnahme des Personenverkehrs verzögerte sich bis zum 1. Juni 1894.

Da die Konzession vor der Verabschiedung des Kleinbahngesetzes vergeben worden war, wurde im Mai 1894 eine neue Genehmigung erteilt. „Der Dürener Dampfstraßenbahn=Aktiengesellschaft zu Düren wir auf Grund des Gesetzes über Kleinbahnen und Privatanschlußbahnen 28. Juli 1892 ... die Genehmigung erteilt, auf der Strecke von Düren nach Birkesdorf ...eine Kleinbahn mittels Dampflokomotiven zur Beförderung von Personen und Gütern ... zu betreiben.“ In 3 Abschnitten wurde die Strecke 1901, 1908 und 1927 bis nach Inden verlängert. 1937 wurde eine neue Betriebsgenehmigung für die Strecke Düren – Inden als nebenbahnähnliche Kleinbahn erteilt, gültig bis zum 31. Dezember 1967. Der Name der Aktiengesellschaft wurde in Dürener Eisenbahn AG (DEAG) geändert.

Die Kastendampflokomotiven der DEAG von Henschel und Sohn

An Betriebsmittel für den Güterverkehr waren zur Betriebseröffnung am 1. April 1893 vorhanden: 2 Lokomotiven, 1 G-Wagen, 1 O-Wagen, 11 Rollwagen. Hierbei handelte es sich um eine leichtere Lokomotive „DÜREN“ und eine schwere Lokomotive „BIRKESDORF“ von Henschel, Fabriknummer 3892. Eine Schwestermaschine der „BIRKESDORF“, die „INDUSTRIE“ kam Anfang August 1893 in Düren an. „Behufs Verstärkung der Reserve und Bewältigung des durch die hinzugekommenen Anschlüsse vermehrten Verkehrs" wurde 1899 eine vierte Kastenlok vom Typ der BIRKESDORF beschafft. Im August 1899 lieferte Henschel & Sohn, Cassel, die „neue Trambahn Locomotive mit Oberflächen Condensator Fabrik No. 5276 mit Namen „RUR“ mit sämtlichen zugehörigen Ausrüstungsgegenständen“ für 19.200 Mark an die Dürener Dampfstraßenbahn. Bis 1907 wurden 7 weitere Kastenloks vom gleichen Typ bei Henschel nachbeschafft:

Betriebs-Nr.:
2
Name:
Birkesdorf
Bauart:
Bn2tK
Hersteller:
Henschel
Baujahr:
1893
Fabr.Nr.::
3892
Verbleib:
1952 – 1954 +
 
 
Betriebs-Nr.:
3
Name:
Industrie
Bauart:
Bn2tK
Hersteller:
Henschel
Baujahr:
1893
Fabr.Nr.::
3893
Verbleib:
1916 an Fa. Künstler
 
 
Betriebs-Nr.:
4
Name:
RUR
Bauart:
Bn2tK
Hersteller:
Henschel
Baujahr:
1899
Fabr.Nr.::
5276
Verbleib:
1942 an Fa. Schoeller
 
 
Betriebs-Nr.:
5
Name:
Hoven
Bauart:
Bn2tK
Hersteller:
Henschel
Baujahr:
1900
Fabr.Nr.::
5569
Verbleib:
1952 – 1954 +
 
 
Betriebs-Nr.:
6
Name:
Merken
Bauart:
Bn2tK
Hersteller:
Henschel
Baujahr:
1900
Fabr.Nr.::
5570
Verbleib:
1952 – 1954 +
 
 
Betriebs-Nr.:
7
Name:
Pier
Bauart:
Bn2tK
Hersteller:
Henschel
Baujahr:
1901
Fabr.Nr.::
5847
Verbleib:
1948 + nach Kriegsschäden
 
 
Betriebs-Nr.:
8
Name:
Inden
Bauart:
Bn2tK
Hersteller:
Henschel
Baujahr:
1905
Fabr.Nr.::
7286
Verbleib:
1917 an Crefelder Straßenbahn
 
 
Betriebs-Nr.:
9
Name:
Lucherberg
Bauart:
Bn2tK
Hersteller:
Henschel
Baujahr:
1906
Fabr.Nr.::
7739
Verbleib:
1916 an Bayer & Co.
 
 
Betriebs-Nr.:
10
Name:
Schophoven
Bauart:
Bn2tK
Hersteller:
Henschel
Baujahr:
1907
Fabr.Nr.::
8331
Verbleib:
1942 Reichsverkehrsdirektion Kiew
 
 
Betriebs-Nr.:
11
Name:
Lamersdorf
Bauart:
Bn2tK
Hersteller:
Henschel
Baujahr:
1907
Fabr.Nr.::
8332
Verbleib:
1942 Reichsverkehrsdirektion Kiew

 

An der RUR sind heute Teile von mindestens drei Schwesterloks verbaut: An einigen Triebwerksteilen sind die Fabriknummern der BIRKESDORF, der MERKEN und der PIER eingeschlagen. Offen ist, ob bereits zu Zeiten der Dürener Dampfstraßenbahn Teile zwischen den baugleichen Loks bei Revisionen freizügig getauscht wurden, oder erst in der Nachkriegszeit für die Instandsetzung der RUR (die weiter von der Werkstatt der DEAG in Düren betreut wurde) Ersatzteile aus den abgestellten Loks der DEAG entnommen wurden.

1912 kaufte die Dürener Dampfstraßenbahn 3 weitere Kastenloks, allerdings waren dies Dreiachser anderer Bauart.

Henschel hat über einen Zeitraum von 35 Jahren – 1878 bis 1913 – über 400 Kastendampfloks gebaut. Nach 1913 folgten noch weitere ca. 30 Heißdampflokomotiven, die teils wieder in klassischer Henschel Bauart mit Innentriebwerk, teilweise aber auch mit Außentriebwerk (Typ „PLETTENBERG“) ausgeführt wurden.

Kastenloks von Henschel wurden an eine ganze Reihe von Klein- und Straßenbahn in Deutschland geliefert. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Dürener Dampfstraßenbahn; Krefelder Straßenbahn, Straßenbahn Kassel (1435 mm); die Bachmann / SEG -Bahnen in Mainz, Wiesbaden, Darmstadt und Mannheim (die spätere OEG); Duisburger Straßenbahn (1435 mm); Dortmunder Straßenbahn (1435 mm), Karlsruhe - Durlach (1435 mm); Karlsruher Lokalbahn; Frankfurter Lokalbahn (1435 mm); Frankfurter Waldbahn (1435 mm); Kleinbahn Eltville – Schlangenbad; Hohenlimburger Kleinbahn, Trambahn Saarlouis – Ensdorf; Tramway Ottrott – Erstein; Dampfstraßenbahn Diedenhofen - Niederjeutz, Zell-Todnau, Straßenbahn Halberstadt (unsicher), Straßenbahn Gera, Kleinbahn Altona-Kaltenkirchen (1435 mm); Kleinbahn Gießen – Bieber. Dazu eine Zweit- oder Drittverwertung bei Werksbahnen, nachgewiesen für die Farbwerke Bayer und die Westdeutschen Sprengstoffwerke. Eine größere Anzahl von Henschel Kastenloks ist in den Niederlanden und in Italien gelaufen. Die auf den gestern Blick „baugleichen“ Kastenloks haben sich im Detail aber unterschieden:

In einem Katalog von Henschel & Sohn für Feldbahn- und Industrie-Lokomotiven aus dem Jahr 1913 sind Kastenloks (Tabelle XXIX für 1000/1067 mm spurige 2/2 gekuppelte Straßenbahnlokomotiven) sind im Sinne eines Baukastens 8 Leistungsklassen von 30 PS bis 120 PS aufgeführt. Die Ausführungen von 30 PS bis 80 PS haben einen Radstand von 1400 mm; die 100 PS Version einen Radstand von 1600 mm und die Version mit 120 PS einen Radstand von 1800 mm. Die gleichen 8 Größen gibt es noch mal für Normalspur. Es ist offen, ob Kastenloks auch in allen der angebotenen Größen tatsächlich gebaut wurden. Die technischen Daten der RUR entsprechen weitgehend dem Typ „Teddy“ mit 70 PS. Allerdings sind die Dürener Kastenloks gut 200 mm länger (was an den runden Stirnseiten gegenüber gerade Stirnseiten im Katalog liegt) und durch den Dachkondensator auch deutlich schwerer.


Lebenslauf:

Als dritte Lok der schweren zweiachsigen Kastenloks wurde die "RUR" 1899 in Betrieb genommen. Wahrscheinlich schon nach wenige Einsatzjahren erhielt der ursprüngliche offene Lokkasten der Lok zum Wetterschutz seitliche Schiebefenster und an den Stirnseiten jeweils links und rechts zusätzliche Frontscheiben. Eine Betriebsaufnahme aus dem Jahr 1936 zeigt die RUR so vor einem Rollwagenzug in Birkesdorf. Die Klappen der unteren Triebwerksverkleidung sind nicht mehr vorhanden. Im Unterschied zu den meisten anderen Kastenloks in Deutschland und im benachbarten Ausland behielten die Katenloks der Dürener Dampfstraßenbahn in Abdampfkondensator. Nach der Elektrifizierung des Personenverkehrs im Jahr 1913 waren die Dampfloks der Dürener Dampfstraßenbahn nur noch im Güterverkehr eingesetzt. Hierfür nicht mehr benötigte Einrichtungen wie z.B. die Dampfheizung oder die Schläuche der Saugluftbremse (nur die Loks waren gebremst, die Rollwagen hatten keine Saugluftbremse) wurden zurückgebaut. Auch nach Elektrifizierung des Personenverkehrs waren die Kastenloks für den Güterverkehr unentbehrlich. Im Geschäftsjahr 1940 waren beachtliche 10 Dampflokomotiven im Einsatz. Erst 1941 wurde eine E-Lok von der Iserlohner Kreisbahn gekauft und begonnen, die ersten Anschlussgleise mit einer Oberleitung zu versehen.

Am 16. Juni 1942 wurde die RUR an den größten Anschließer der DEAG - die Reflex-Papier-Fabrik F. H. Schoeller GmbH in Birkesdorf – verkauft. Dort war sie vor werksinternen Strohzügen und zum Rangieren der aufgeschemelten Normalspurgüterwagen eingesetzt. 1943 wurde die RUR zur feuerlosen Lokomotive umgebaut und erhielt, unter Verwendung des Reglers und der Sicherheitsventile vom ursprünglichen Kessel, einen neuen Speicherkessel von der Aachener Firma Wilhelm Küsters (Fabr.-Nr. 3079, Baujahr 1943). Beim Umbau wurden alle für den Einsatz als Speicherlok nicht mehr benötigten Bauteile – Abdampfkondensator, Wasserkästen, Kohlenkasten, Speisepumpen, Körting-Doppelsauger etc. – entfernt. Das Triebwerk blieb unverändert; zum Unterbringen des großen Speicherkessels, der über die gesamte Länge des Lokkastens reichte, wurde das Dach ein Stück höhergelegt. In dieser Form war sie bis Ende der sechziger Jahre werksintern im Einsatz und überlebte damit die Betriebseinstellung der DEAG am 30. Juni 1965 um mehrere Jahre.

Im Oktober 1972 wurde die RUR von der Papierfabrik Schoeller dankenswerterweise der Selfkantbahn überlassen. Anfang 1973 kam sie von Birkesdorf zunächst zum Betriebshof Weeserweg der Krefelder Straßenbahn, weil vorgesehen war, sie - nach Rückbau zu einer rostgefeuerten Lok - zum Doppeljubiläum "600 Jahre Krefeld" und "90 Jahre Crefeld - Uerdinger Localbahn", der sogenannten Krefeldiade, im Frühjahr 1973 einzusetzen. Dieses Vorhaben stellte sich nun doch als zu ambitioniert heraus, und so verbrachte die Lok noch mehrere Jahre in Krefeld, bis sie schließlich im April 1977 die Gleise der Selfkantbahn erreichte. Eine fest geplante Aufarbeitung scheiterte immer wieder an den hohen Kosten und es blieb bei einem behelfsmäßigen Neuanstrich Anfang der 1980er Jahre. Zwischenzeitlich war dafür sogar der gebrauchte Kessel der Krauss-Kastenlok "Rimini" im Tausch gegen einen Heizwagenkessel erstanden worden. Erst 2013 ergab sich eine Möglichkeit diesen langen Wunschtraum zu realisieren. Der Kleinbahnfreund Wim Pater mit seiner Firma Kleinbaan Service B.V. erklärte sich bereit, die Lok auf seine Kosten komplett und professionell aufarbeiten zu lassen und anschließend der Selfkantbahn kostenlos für Einsätze zu überlassen. Im September 2013 wurde die Lok an Wim Pater verkauft und zur Aufarbeitung abgeholt. Im Rahmen der umfangreichen Restaurierung hat die RUR einen neuen Kessel bekommen und auch der Abdampfkondensator wurde rekonstruiert. Voraussichtlich im Jahr 2025 wird die RUR wieder in Betrieb genommen werden können.

 

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